Ein Stundenplan für ChatGPT – und seine Nutzer

Foto: Anne Martin
Künstliche Intelligenz verändert die Bildungslandschaft – dabei sollte eigentlich ChatGPT selbst nochmal die Schulbank drücken: Diese These stellte Jan Doria, Akademischer Mitarbeiter im Forschungsprojekt „IKID – Integrierte KI-Lehre“, auf der KI-Night des Gymnasiums Rutesheim am 05. Juni 2025 auf. Im Anschluss diskutierte er mit zwei angehenden Abiturienten des Gymnasiums, zwei Vertretern lokaler Unternehmen und einem Kollegen der Hochschule Reutlingen über die Chancen und Risiken moderner KI-Technologien in der Wirtschafts- und Bildungswelt.

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Am Beispiel des schweren Verkehrsunfalls, der sich Anfang Mai am Stuttgarter Olgaeck ereignete, zeigte er eines der größten Probleme im Umgang mit KI-gesteuerten Sprachassistenten auf: Kurz nach dem Unfall „halluzinierte“ ein KI-gesteuerter Chatbot einen eigentlich unbeteiligten Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen zum Unfallverursacher – der sich deswegen einem massiven Shitstorm im Netz ausgesetzt sah. Eine solche Verwechslung führt auch zu Reputationsverlust und damit zu potenziellen Einkommenseinbußen.
Das Beispiel zeigt: KI-Systeme sind – anders als Journalisten – nicht in der Lage, moralische Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, weil sie keinerlei Bezug zu medienethischen Werten wie der Wahrhaftigkeit aufweisen. Die drei Philosophen Michael Townsen Hicks, James Humphries und Joe Slater sprechen daher in einem Fachaufsatz unter Verweis auf den Philosophen Harry Frankfurt von KI als „Bullshittern“: LLM-Systeme interessieren sich gar nicht dafür, ob sie die Realität adäquat abbilden oder nicht – weil sie selbst gar keinen Bezug zur Realität aufweisen, sondern nur als stochastische Papageien zu betrachten sind.
Doria schlug daher einen „Stundenplan“ für ChatGPT vor – mit dem wohlwissenden Augenzwinkern, dass es selbstverständlich nicht das KI-System selbst ist, dass ethisch befähigt werden muss, sondern seine Nutzer. Neben dem Wert der Wahrhaftigkeit nahm er dabei auch die Werte Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Privatheit in sein KI-Curriculum mit auf. Eine solche wertebasierte Künstliche Intelligenz made in europe, so Dorias Fazit, könne im geopolitischen wie ökonomischen Wettbewerb zwischen USA und China einen echten Unterschied machen.
Wer den ChatGPT-Stundenplan näher kennenlernen möchte und sich für wertebasierte KI-Entwicklung interessiert, der wird auch am Institute for Applied Artificial Intelligence fündig: Studierende der Hochschule der Medien können das IKID-Zertifikat absolvieren und so interdisziplinäre Kompetenzen in den Fächern Informatik, Wirtschaft, Recht und Ethik erwerben.