25 April, 2025
Marcel Schlegel

IKID-Whitepaper: Demonstratoren für eine praxisnahe und reflektierte KI-Lehre

In der dritten Ausgabe der IKID-Whitepaper-Serie zum Thema „Interdisziplinäre KI-Lehre“ widmen sich Max Böttinger und Professor David Klotz dem Einsatz von Demonstratoren zur praktischen Vermittlung von KI-relevanten Kompetenzen in der Hochschullehre.

Umfragen zur Wahrnehmung von Künstlicher Intelligenz (KI) stellen immer wieder ein – je nach Bezugsgruppe teilweise stark – ausgeprägtes Misstrauen und Unbehagen fest. Demgegenüber zeigen Befragungsstudien ebenfalls zuverlässig, dass die breite Bevölkerung hierzulande KI-basierten Tools im Grunde auch optimistisch begegnet und in selbstlernenden Systemen mehr eine Chance denn ein Risiko erkennt. Auf den ersten Blick wirft dies scheinbar einen Widerspruch auf: Wie lässt sich diese Diskrepanz zwischen möglicherweise lähmendem Skepsis und aversiver Zurückhaltung auf der einen – sowie einem schimmernden Optimismus und einer mindestens dezent ausgeprägten Zuversicht auf der anderen Seite erklären?

Klärungsversuche müssen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch auf der vorläufigen Ebene verbleiben und mögen je nach KI-Tool, nach Lebenswelt, Domäne, Branche, Einsatzkontext und letztlich sogar nach Gesellschaftsform differenziert betrachtet werden. Ein Weg, diese augenscheinlich widersprüchlichen Pole auf einer globalen Ebene aufzulösen, zumindest ansatzweise, dürfte in der spezifischen Qualität von KI selbst begründet liegen: KI stellt nicht nur eine Schlüsseltechnologie dar. Stattdessen muss KI auch als abstraktes Querschnittsphänomen betrachtet werden, das nicht nur jedes gesellschaftliche Funktionssystem erreichen, sondern darin auch transformative und wahrscheinlich sogar disruptive Auswirkungen zeitigen wird.


Derlei übergreifende Wandlungsdynamiken, speziell auch solche, die technologisch getrieben sind und zudem immense sozioökonomische, soziopolitische und soziokulturelle Implikationen aufweisen, verlaufen indes komplex, kontingent und emergent. Ferner vollziehen sie sich ohne eindeutige Stoßrichtung oder eine Zielsetzung, die garantiert erreichbar wäre. Zumal, wenn sich die technische Ausdifferenzierung noch im Wachsen und Werden sowie in Folge dessen sich deren politisch-rechtliche Regulierung, bereichsspezifische Institutionalisierung und gesellschaftliche Verbreitung nach wie vor im Aushandeln und Ausprägen befinden.

KI als Moving Target und Blackbox

Auch deshalb lässt sich KI weiterhin als Moving Target verstehen: als ein nicht nur technisches, sondern auch und vor allem soziales und kulturelles Phänomen, das angesichts der rasanten wie diffusen Entwicklung von schillernder Qualität ist. Da die KI-Transformation also überaus dynamisch und jederzeit unter Einbindung einer unübersichtlichen Anzahl von Akteuren verläuft, bleibt im Detail unklar, in welche Richtung sich die KI-Transformation (aus-)entwickeln und welche Auswirkungen KI-basierte Systeme auf unsere Gesellschaft haben werden.

Daraus erwächst Spielraum für Deutungsangebote. Entsprechend werden an KI nicht selten unrealistische Utopien, aber auch übertriebene Dystopien geknüpft – und auch medial gespielt. Diese prägen die Wahrnehmungen der Bevölkerung und das teilweise zurecht, denkt man nur an das enormen Missbrauchspotenzial der Technologie, etwa im Bereich der Möglichkeit zur Störung eines deliberativen Diskurs durch KI-generierte Desinformation, durch Voice Clones, Deep Fakes und ähnlichem. Gleichzeitig verzerren solche, meist mit destruktiver Absicht gestreuten Phänomene die Wahrnehmung von, hiernach die Einstellungen gegenüber KI selbstredend auch und kaschieren gegebenenfalls die enormen Potenziale solcher Systeme – für Wissenschaft, für Medizin, für Robotik, in der Wirtschaft oder Industrie und dem mehr.

KI als Heilsversprechen oder Untergang? Die Antwort? Noch unsicher – und ebendeshalb Unsicherheiten schürend. Die Wahrheit liegt wohl in deren Mitte. Sagen lässt sich gegenwärtig nur, dass diese Umwälzungen fundamental, ergo von strukturellem Ausmaß sein werden und die Art, wie wir zusammenleben und kommunizieren, wie wir uns informieren, Inhalte erstellen, Produkte kreieren oder erschaffen und arbeiten, grundlegend verändern (werden). Verstärkt wird diese Wahrnehmung von KI als ungreifbares Phänomen zudem dadurch, dass sich in KI eine Blackbox erkennen lässt – unter anderem dergestalt, dass die Funktionsweise von KI-Systemen auf einer abstrakten Ebene zwar dadurch graduell nachvollziehbar wird, dass derlei selbstlernende Systeme mithilfe einer unüberschaubaren Anzahl an Datensätzen trainiert werden und damit initialen Vorgaben folgt, zumindest anfangs. Auf Basis welcher konkreten Informationspakete ein KI-Modell allerdings einen ganz spezifischen Output erzeugt und ob diese Ausgabe etwa von generativen KI-Anwendungen schlussendlich auch vertrauenswürdig, inhaltlich wahr und objektiv dargestellt sind, ist keineswegs gesichert. Vor allem aber bleibt es dem Nutzenden weitgehend verborgen (wenngleich Tools insbesondere aus dem Reigen der GenAI nun zunehmend auch Quellenangaben machen).

KI sorgt auch für Unbehagen und Sorgen

Die beschriebene inhärente Intransparenz dürfte die Wahrnehmung von KI jedenfalls ebenfalls enorm prägen und kann zumindest graduell die Frage beantworten, warum dieser Technologie auch mit Misstrauen, Zurückhaltung und Ablehnung begegnet wird. Die Folge dieser Unübersichtlichkeit und Ungewissheit? Vereinzelte Verunsicherung, so lässt sich vermuten. Und weiter gedacht auch die eingangs dokumentierten Aversionen und Ängste gegenüber dem KI-Einsatz und seinen kontextspezifischen Folgen, sprich: Ressentiments gegen Veränderung, Sorge um den eigenen Job und sogar um die menschliche Bedeutsamkeit.

Wie löst man das? Durch den Aufbau von KI-relevanten Kompetenzen. Darin besteht im Grunde die übergeordnete Zielsetzung des Lehrforschungsprojekts IKID, in dem Lehrende aus Informatik, Wirtschaft, Recht und Ethik in integrierter Weise zusammenarbeiten und „AI Literacy“ in Form von praxisnahen Projekten vermitteln. Kompetenz stellt qua Definition die menschliche Kapazität dar, in unklaren, unbekannten oder neuartigen Situationen reflektiert, mündig, zweckmäßig, effizient und zielorientiert handeln zu können. In Abgrenzung zur artifiziellen Intelligenz, die sich, zumindest noch, vor allem musterbasiert auf Grundlage von bestehenden Wissensbeständen ergibt, lässt sich kompetentes Handeln daher als eine auf menschlicher Erfahrung, Kreativität und Problemlösungsressourcen basierte, eben genuin menschliche Gabe verstehen. Sie prägt und charakterisiert das Mensch-Sein zutiefst und ist bislang einzigartig.

Kompetenz entsteht in der Praxis

Kompetenzen brauchen derweil stets einen Anwendungskontext. Sie können immer nur in der konkreten Praxis erworben werden und stellen letztlich eine Funktion aus erworbenen Wissensbeständen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen und deren dynamischem Zusammenwirken in spezifischen Nutzungsepisoden dar.

In erschöpfendem Maße hat sich gezeigt, dass Kompetenz mit Wahrnehmungen von Selbstwirksamkeit korreliert. Weiterhin deuten bisherige Forschungen darauf hin, dass das Vertrauen in KI-Systeme dann steigt, wenn Nutzende durch die Verwendung von KI-Tools positive Erfahrungen machen und damit ihre Handlungsfähigkeit und Autonomie in Bezug auf KI ganz praktisch und lösungsorientiert erfahren. Denn: Wer sich gewappnet fühlt, mit einer neuen Technologie oder neuen Anforderungen umzugehen, der scheint motiviert, diese einzusetzen; der blickt denselben weniger pessimistisch entgegen; der entwickelt eine gleichsam produktive wie kritische Haltung gegenüber KI; der kann Risiken besser einschätzen oder nicht-wünschenswerte Folgen der Nutzung präventiv vermeiden; der weiß die Potenziale von KI in seinen Lebens- und Arbeitswelten zu nutzen. Und der gestaltet die KI-Transformation durch sein eigenes Zutun am Ende auch aktiv mit. Nicht zuletzt deshalb haben erste Erhebungen gezeigt, dass jene Gruppen, die bereits über KI-relevantes Vorwissen verfügen, oder jene Branchen, in denen Computertechnologie in der Praxis von Haus aus eine Rolle spielt, KI bislang am meisten einsetzen.

Demonstratoren sorgen für Erfahrungswissen und Vertrauen

Im IKID-Projekt setzen wir auch daher auf sogenannte Demonstratoren. Diese sind zugleich als physische Geräte, als auch als didaktische Werkzeuge zu verstehen. Prinzipiell handelt es sich um leistungsstarke Computer, welche mit einem berührungssensitiven Bildschirm ausgestattet sind. Durch die Möglichkeit, direkt mit den KI-Demonstratoren zu arbeiten, erleben die Studierenden ihre eigene Fähigkeit, komplexe Systeme zu verstehen und gegebenenfalls auch zu „manipulieren“. Dies stärkt ihr Vertrauen in eine oftmals als intransparent empfundene Technologie, sowie in ihre eigenen Fähigkeiten und motiviert Lernende, sich intensiver mit den Lerninhalten auseinanderzusetzen.

Whitepaper-Serie mit sechs Ausgaben

Im dritten Whitepaper zum Lehrforschungsprojekt “IKID – Interdisziplinäre KI-Kompetenz” Max Böttinger und David Klotz vom IAAI diese Demonstratoren vor.

Die Whitepaper-Serie zum interdisziplinären Forschungsprojekt IKID, von Marcel Schlegel redaktionell betreut und verantwortet, widmet sich dem aufkommenden Feld von Künstlicher Intelligenz in der Hochschuldidaktik. In mehreren Ausgaben, die in Kooperation mit dem Digipolis Verlag nach und nach erscheinen, geht es unter anderem um KI-relevante Kompetenzen, interdisziplinäre KI-Lehrkonzepte, beispielhafte Lehrmethoden und didaktische Vermittlungsformen. Weiterhin wird eine technische Infrastruktur vorgestellt, in der Studierende entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen können. Die bereits erschienenen Ausgaben stellen das interdisziplinäre Lehrkonzept von IKID und eine Rollenspiel-Ansatz vor (zur Übersichtsseite).

Am Projekt IKID sind neben Prof. Dr. David Klotz (Informatik) und Prof. Dr. Jürgen Seitz (Wirtschaft) auch Prof. Dr. Petra Grimm (Ethik), Prof. Dr. Nils Heide (Recht) und Prof. Dr. Peter Thies (Informatik) sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt. Das Projekt, das im Dezember 2021 gestartet ist, läuft noch bis 30. November 2025.

Autor der Demonstrator-Ausgabe: Max Böttinger und David Klotz

Redaktion der Whitepaper-Serie: Marcel Schlegel

Layout der Serie: Juliana Baatzsch, Katja Trusch und Marcel Schlegel

IKID-Projektverantwortlicher: Prof. Dr. David Klotz – klotz@hdm-stuttgart.de